Als ich mich irgendwann im Februar dazu entschied, dich das erste Mal anzurufen, ahnte ich noch nicht, wie weitreichend diese Entscheidung sein würde. Alles was ich wusste war, dass meine zweite Geburt anders laufen sollte als die erste und da war es naheliegend, mir eine Hebamme zu suchen, die mich während der Schwangerschaft und unter der Geburt betreut. Noch uninformiert und mit all den Empfehlungen, Warnungen und Ratschlägen von Ärzten, der Familie und Bekannten im Kopf dachte ich, eine Beleggeburt könnte das Richtige für mich sein. Eine Hausgeburt war für uns zwar nicht ausgeschlossen, aber auch keine echte Option, eben wegen all der Stimmen, die sich immer so laut gegen außerklinische Geburten erheben. Erst nachdem du hier warst und uns über die Chancen der Geburt daheim aufgeklärt hattest, erst als wir die Zahlen und Fakt der quag kannten und dann langsam anfingen, uns übers Internet mit Geburtsberichten zu beschäftigten, erst dann reifte in uns die Überzeugung, dass wir unser Baby hier zuhause zur Welt bringen wollen.

Im Nachhinein bin ich entsetzt darüber, dass die Aufklärung, die Schwangeren durch ihre Ärzte zu Teil wird, so tendenziös ist, bin wütend darüber, dass die Geburt im Krankenhaus in unserer Gesellschaft so unreflektiert als „richtig“ angesehen wird und leide mit den Frauen früherer Generationen und heute, die gebären müssen, wie es eine überwiegend männliche Ärzteschaft von ihnen verlangt und nicht, wie sie selbst es können und in ihrem Innersten, abseits der Ratio, auch wollen. Umso mehr schätze ich es, dass wir uns getroffen haben und dass ich dich als meine Hebamme gewinnen konnte.

Deine Besuche hier bei uns und die Gespräche mit dir habe ich immer als sehr angenehm erlebt. Anstatt mit den Mitteln der Gegenseite zu kämpfen, also die Moralkeule zu schwingen oder in Form von emotionaler Manipulation die Lager gegeneinander auszuspielen, bliebst du bei allen Fragen und Bedenken immer ruhig und sachlich. Inzwischen meine ich zu wissen, dass dahinter eine ganz tiefe Überzeugung für die Richtigkeit deiner Arbeit sitzt, die du ausstrahlst, ohne dafür große Worte zu brauchen. Wir haben diese Art der Aufklärung und Vorbereitung sehr geschätzt, denn sie unterstütze uns darin, unseren Weg zu finden und gab ihn uns nicht einfach vor. Rückblickend weiß ich jetzt, dass eine selbstbestimmte Geburt bereits mit der Entscheidung für eine selbstbestimmte Geburt beginnt. Ich danke dir für deine Geduld in unseren Gesprächen und dafür, dass wir dank dir so viel Neues lernen und so viele unreflektierte und schlicht falsche Überzeugungen hinter uns lassen konnten.

Vielleicht war auch das der Grund dafür, dass ich, je näher Theos Geburtstag rückte immer sicherer wurde, dass die Hausgeburt eine gute Geburt werden würde und so konnte ich es die letzten Tage kaum mehr erwarten, dass er endlich kommt. Meine Unruhe und auch die Unsicherheit, die wegen meiner Arztbesuche immer wieder aufflackerte, konntest du gut auffangen und darüber hinaus haben deine Empfehlungen und Maßnahmen letztlich dazu geführt, dass nicht nur mein Geist sondern auch mein Körper bereit für die Geburt des kleinen Theo waren und so ging dann am Freitagabend all das wirklich los, was ich mir so oft vorgestellt habe. An dieser Stelle will ich dir noch einmal Danke sagen für die Empfehlung zur Fußreflexzonenmassage und für all die kleineren und größeren Maßnahmen, die wir gemeinsam ergriffen haben, um das Baby auf die Welt zu locken.

Unter Geburt war das, was vorher so wichtig für mich war, nämlich das viele Fragen und Antworten und Planen und Denken plötzlich gar nicht mehr wichtig. Ich war einfach froh, als du irgendwann hier warst und ich spürte, dass das Baby jetzt kommen würde. In der Rückschau würde ich sagen, dass es irgendwann kurz nach deiner Ankunft einen Punkt gab, an dem ich meinem Körper das Steuer überlassen habe und zunächst nur während der Wehen, später dann auch dazwischen, ganz intuitiv mit der Situation umgehen konnte.

Ich fühlte mich hier zuhause nicht nur sicher und geborgen, sondern hatte auch die Gewissheit wertungsfrei Sein zu dürfen. Du und auch Salome strahlten die ganze Zeit über eine Gelassenheit und Zuversicht aus, die sich auf mich übertrug, ohne dass dafür viel gesagt oder getan werden musste. Es war gerade die Ruhe, die mir unter der Geburt Kraft und Sicherheit gab.

Ich habe lange überlegt, was der große Unterschied zur Klinikgeburt war und bin zum Schluss gekommen, dass die erste Geburt eine Geburt war, die mir passiert ist. Damals habe ich die Zügel abgegeben und folgte den Anweisungen der Pflegerinnen, Hebammen, Anästhesisten und Gynäkologen. Ganz anders war es in der Nacht vom 14. Oktober. Diesmal passierte mir die Geburt nicht, sondern ich habe sie gemacht, ich habe ganz aktiv und willentlich und bei vollem Verstand geboren. Der allergrößte Unterschied war also, wie ich mich selbst erlebt habe. Nämlich einmal passiv und als Opfer der Umstände. Das andere Mal, während der Hausgeburt, fühlte ich mich kompetent und stark. Selbstbestimmt und nicht alleingelassen, sondern behutsam betreut war ich, als mein Sohn im Wasser zur Welt kam und dafür, liebe Nadja, kann ich dir nicht genug danken.

Danken will ich dir auch für die echte Freude, die wir über Theos Ankunft geteilt haben, deine lieben Worte an mich und Freddy und dein Verständnis für den weinenden großen Bruder, der schon kurz nach der Geburt ins Wohnzimmer kam.

Zum Schluss will ich dir noch sagen, dass ich dir nicht nur dankbar bin, weil du uns eine so schöne Geburt ermöglicht hast, sondern dich in deiner Arbeit als selbstständige Hausgeburtshebamme auch sehr bewundere. Du bist eine echte Powerfrau, die sich für andere Frauen einsetzt und damit bist du für mich eine Feministin im besten Sinne. Eine Feministin, die ohne große Pose, ohne Megaphon und Talkshow so viel Gutes in die Welt bringt und dafür noch nicht mal Applaus verlangt. Chapeau!

Liebe Nadja, für die Zukunft wünschen wir dir von Herzen alles Gute und dass du noch lange Zeit deinem Beruf nachgehen kannst. Wir wünschen dir, dass du es immer gut und leicht hast und dass du weiterhin barfuß gehst, auch wenn der Boden kalt ist.

Ann-Sophie mit Freddy, Anton und Theo